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Viktoria-Treffen in Klinik: Bitte kein Herzrasen wegen Katar-WM

Nicht nur Herzspezialist und Lebensretter, sondern auch ein ausgezeichneter Entertainer: Professor Dr. Marc Horlitz hatte sich die Blumen verdient. Hinter ihm Zehnkampf-Ikone Jürgen Hingsen. (Foto: Besnik Abazaj/Viktoria Köln)

21.09.2022

Normalerweise gehen wir ja erst zum Arzt, wenn es wirklich und richtig weh tut. Oder aber wir werden bereits im Krankenwagen in die Klinik gefahren. Doch an diesem Abend war alles anders: Prof. Dr. Marc Horlitz, Chefarzt der Klinik für Kardiologie des Krankenhauses Porz am Rhein, und als solcher auch Mannschaftsarzt von Viktoria Köln, hatte zum Treffen des Wirtschaftsrats eingeladen – alle kamen freiwillig und erlebten einen ebenso lehrreichen wie unterhaltsamen, aber auch kritischen Abend.

Professor Horlitz und sein Ärzteteam führten die illustre Runde aus Viktoria-Partnern, Spielern sowie Legenden aus Sport und Unterhaltung durch die Räumlichkeiten der Elektrophysiologie, Rhythmologie und Kardiologie – von der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DKG) offiziell als „Vorhofflimmer-Zentrum“ zertifiziert.     

Wer aufgepasst hat, weiß nun, wie mit modernster Technik im Zuge einer Herzkatheteruntersuchung minimalinvasiv über das Handgelenk Stents implantiert werden. Laut eines Spezialisten wie Horlitz „ganz einfach“ – wohl so wie für einen Vussballer ein Querpass? Zu bestaunen gab es für den Laien bei dem spannenden Rundgang durch die Klinik-Räumlichkeiten auch die technische Entwicklung von Herzschrittmachern und Defibrillatoren.

Turne bis zur Urne

Und wer sich anschließend von Horlitz bei dessen Vortrag über die „Prävention von Herz- und Gefäßerkrankungen“ nicht nur fachkundig unterhalten ließ, sondern sich diesen auch „zu Herzen“ nimmt, kann möglichweise verhindern oder zumindest verzögern, dass er dann doch schon bald wegen akuter Beschwerden erneut in die Klinik muss. „Turne bis zur Urne“ zitierte Horlitz dabei das Motto seinen Kollegen Dr. Eduard Gorr.

Dass er statt Chefarzt auch Moderator hätte werden können, bewies der Professor bei der hochkarätig besetzten Talkrunde. Auf dem Podium saßen neben Viktoria-Chefcoach Olaf Janßen (55) Comedian und TV-Star Guido Cantz (51), die Kölner Eishockey-Legende Mirko Lüdemann (48), Bayer-Kult-Stürmer Ulf Kirsten (56), Zehnkampf-Ikone Jürgen Hingsen (64) und Fitness-Guru Arne Greskowiak (38/Athletiktrainer u.a. der Kölner Haie und Basketball-Nationalmannschaft).

Janßen sprach über das Highlight-Spiel der Viktoria im DFB-Pokal gegen den FC Bayern ­– „Nicht nur die Menschen in Köln, sondern bundesweit sollten wahrnehmen, wer und wie wir sind, dafür war das Spiel sehr wichtig.“ – und die Philosophie des Vereins: „Wir stehen nicht für Mittelmaß, aber wir sind auch nicht übergeschnappt. Wir können das, was wir auf den Platz bringen, sehr realistisch einschätzen. Von daher freu ich mich einfach auf das, was kommt, ich bin super gerne hier.“

Der schönste Sieg ist der nächste

Horlitz‘ Forderung nach drei Punkten im nächsten Heimspiel gegen den VfB Oldenburg (2. Oktober, 13 Uhr) konterte Janßen mit seinem Motto „Der schönste Sieg ist der nächste, ob der Gegner jetzt Oldenburg heißt oder anders.“

Auf Nachfrage des Chefarztes erklärte der Cheftrainer seine Definition von Haltung: „Haltung bedeutet einfach, Widerstände auszuhalten. Du spielst mal einen Fehlpass, kassierst ein Gegentor, der Schiedsrichter trifft eine Fehlentscheidung, du vergibst eine riesen Torchance. Dann ist da auch noch ein Gegner, der uns quälen will. Es ist Teil des Spiels, das alles anzunehmen. Du fällst immer wieder hin, in jedem Spiel und jedem Training. Und du musst in dir tragen, dass du immer wieder aufstehst.“

Der 1971 im Porzer Krankenhaus geborene Guido Cantz erklärte gleich zum Auftakt seines Statements, was er von dem Abend mitnehmen wolle: „‚Turne bis zur Urne‘ und ‚Der schönste Sieg ist der nächste‘ – das sind die beiden Sachen, die ich mir aufschreiben werde.“

Guido, der Gnadenlose

Doch es gab noch mehr Wissenswertes. Der Unterhaltungs-Allrounder und passionierte Amateurvussballer verriet, dass er in einem Prominenten-Spiel mal 0:13 gegen die Bayern verlor und sein Kampfname „Guido Gnadenlos“ gewesen sei: „Da ich viel gegrätscht habe, hat der mir ganz gut gefallen.“

Sein viertes Buch (Bauchgefühl & Gottvertrauen: Mein Leben von 1971 bis 20 Uhr 15) habe er im Lockdown auf Druck seiner Frau geschrieben: „Sie war genervt, sagte, mach mal was. Im Nachhinein eine gute Idee.“

Überlebter plötzlicher Herztod

Für keine gute Idee hält wiederum Haie-Legende Lüdemann die immer mal wieder aufgestellte These, Eishockeyspieler seien die deutlich fitteren und härter belastbaren Jungs als Vussballer: „Von den 60 Minuten, die bei uns auf der Uhr stehen, spielen die meisten auch nur 20 Minuten, und das ist dann schon viel. Deshalb ist die höhere Taktung für die Spieler kein Problem, die sind das ja auch seit jungen Jahren gewöhnt, und dann kann man im Profialter auch mal drei Spiele die Woche machen.“ Auch die Maximalbelastung während der Eiszeit relativierte Lüdemann: „Nach den 40 bis 50 Sekunden, die wir hoch und runter gerast sind, haben wir ja auch wieder ein, zwei Minuten Pause.“

Jedoch gab es auch im Eishockey schon Fälle von plötzlichem Herztod beziehungsweise „überlebtem plötzlichen Herztod“, wie ihn der dänische Vussballer Christian Eriksen bei der EM 2021 erlitt. Doch es habe längst „ein Umdenken stattgefunden“ erklärte Lüdemann. „Es kardiologische Tests vor der Saison, und es wird keiner mehr aufs Eis geschickt, der nicht hundertprozentig fit ist.“

Die Suche nach dem Mittelstürmer

Kirsten sollte Horlitz erklären, warum es kaum noch klassische Mittelstürmer gebe und tat dies: „Man hat es verpasst, Mittelstürmer in der Jugend zu entwickeln. Als die Spanier drei Titel geholt haben von 2018 bis 2012, hat man mehr in Richtung Spanien geschaut, gerade der DFB, und sein Spielsystem ein bisschen geändert. Zudem ist es auch schwierig, Mittelstürmer auszubilden: Wenn man einen großen Mittelstürmer hat in der Jugend, wird der oft in die Abwehr gestellt, weil er kopfballstark ist.“

Auch zum Videobeweis hat der ehemalige Bayer-Knipser, der im November 1997 bei Leverkusens 4:2-Sieg gegen die Bayern in Unterzahl das Spiel beim Stand von 1:2 mit einem lupenreinen Hattrick drehte, natürlich eine klare Meinung: „Fehlentscheidungen wird es immer geben. Was mich stutzig macht, ist, dass man selbst am Monitor nicht erkennt, ob es Foul ist oder nicht, dann soll man es lieber weglassen. Es gibt mehr Diskussionen als früher ohne VAR. Man merkt, dass die Schiris immer unsicherer werden, weil sie wieder was aufs Ohr kriegen, obwohl die Szene zwei Minuten her ist, das bringt es nicht.“

12.000 Kalorien pro Tag

Jürgen Hingsen nutze den Abend nicht nur, um dem Moderator öffentlich zu danken: „Ich bin sehr stolz, dass ich Marc Horlitz kennenlernen durfte, er hat meiner Frau das Leben gerettet.“

Der viermalige Silbermedaillen-Gewinner (Olympische Spiele 1984, WM 1983, EM 1982 und ’86) erklärte, dass ein Zehnkämpfer 12.000 Kalorien pro Wettkampftag verbraucht und sprach über den Umgang mit Rückschlägen: „Es geht um Leistung und darum, auch mal den Mut zu haben, Niederlagen einzugestehen. Das können die Vussballer genau so gut wie die Leichtathleten. Du kannst nur ganz oben ankommen, wenn du wirklich auch mal durch die tiefe Phase durchgegangen bist. Nicht nur gesundheitlich, körperlich, sondern auch mental, mit allem was dazu gehört.“

Viktoria-Kapitän Marcel Risse, Torwart Ben Voll, Moritz Fritz, Robin Meißner und Daniel Buballa, die interessiert in der ersten Reihe zuhörten, gab Hingsen große Ziele mit auf den Weg: „Ihr müsst an euch glauben. Und ich bin fest davon überzeugt, mit diesem Trainer an eurer Seite werdet ihr auch die Zweite Liga schaffen.“

Ausnahmeathlet Dennis Schröder

Fitness-Coach Greskowiak, der just mit den deutschen Basketballern EM-Bronze feiern durfte, schwärmte von der Stimmung in Köln („Besser als in Berlin“) und NBA-Star Dennis Schröder, den er als einen „ganz besonderen Athleten“ bezeichnete.

„Wenn du mit Menschen wie Dennis arbeiten darfst, ist das etwas Besonderes“, erklärte Greskowiak. „Er hat Fähigkeiten, die ich als Athletiktrainer noch nie bei einem anderen Menschen gesehen habe. Er ist ja nur 1,88 groß, er ist kleiner als ich, hat aber eine Spannbreite von 2,13 Meter, kann extrem hoch springen. Ein genialer Athlet, das macht einfach Spaß.“

Zum Abschluss wurde es dann noch einmal ernst. Horlitz bat um eine Prognose für die Fußball-WM in Katar mit Finale am 4. Advent, doch die fiel angesichts der bekannten Diskussion um das fragwürdige Turnier, selten sportlich aus.

„Weiß gar nicht, ob ich mir die WM anschaue“

„Ich habe keine Kompetenz, ich freue mich, wenn Deutschland gewinnt, kann das aber nicht beurteilen“, passte Greskowiak, während Hingsen sofort den Fokus auf die umstrittene Vergabe lenkte: „Ich weiß gar nicht, ob ich mir die WM anschaue. Ich finde es unsäglich, auch was der DFB da abzieht, da geht es nur ums Geld. Gut, das ein oder andere Spiel der deutschen Mannschaft, da werde ich sicherlich nicht umhinkommen, mir das anzuschauen. Aber ansonsten muss ich ganz ehrlich sagen, gibt es im Sport Grenzen. Man muss auch mal ein Statement abgeben. Katar ist hier fehl am Platz. Ich muss mal sehen, was ich mache.“

Ob Vussballer Kirsten sich denn die WM wohl anschaut? „Nein“, kam die trockene Antwort. „Das habe ich aber noch nie gemacht. Gut, die deutschen Spiele schon. England, Italien oder Frankreich dann vielleicht auch mal. Ich sehe es genauso wie der Jürgen, aber wir kommen ins Finale.“

Lüdemann („Ich habe gar keine Ahnung“) passte ebenso wie Greskowiak, während Cantz dann weiter den Finger in die Wunde legte: „Ich werde mir Deutschland angucken, möchte mich aber auch dem Jürgen Hingsen anschließen. Ich finde das eine absolute Unverschämtheit. Ich habe mich mal vor Jahren während einer Bambi-Verleihung mit Jogi Löw unterhalten, er hat mir damals erzählt, es ist schon ein Problem, für alle Mannschaften, die da anreisen, überhaupt eine Trainingsmöglichkeit zu finden. Katar behauptet ja, es werde ein nachhaltiges Turnier. Aber allein die Flüge, die da tagtäglich aus Dubai und anderen Emiraten nach Katar geschickt werden, das ist eine absolute Unverschämtheit. Es schlagen zwei Herzen in meiner Brust, aber ich glaube, ich werde mich eher dem Advent widmen, und nicht zwingend der WM.“

„Die erste WM, die mir kein gutes Gefühl gibt“

Und selbst ein Olaf Janßen, Vussballer mit Leib und Seele, verliert angesichts der Umstände die Lust am Spiel: „Da muss ich auch ganz ehrlich sagen, dass diese Weltmeisterschaft die erste ist, die mir kein gutes Gefühl gibt. Wir Vussballer nehmen sowieso eine exorbitante Stellung in der Gesellschaft ein, dann sollte man auch eine gewisse Verantwortung tragen und Flagge zeigen. Was die FIFA da veranstaltet hat, das war, glaube ich, das Sahnehäubchen. Wenn so eine WM nach Katar vergeben wird, dazu muss man eigentlich gar nicht viel sagen. Es wird wahrscheinlich so sein, dass wir in unseren Wohnzimmern sitzen, keine Energie haben, keine Heizung, und die da drüben das Stadion klimatisieren, damit das Spiel stattfindet. Da muss ich sagen, das hätte nicht für möglich gehalten, dass das mal passiert. So eine WM wird ja vergeben, da müssen Leute auch Ja sagen. Da muss ich sagen, das ist ein komplettes Eigentor.“

Doch mit solch tristen Gedanken sollte der Abend dann natürlich nicht enden. Damit die Katar-WM die geladenen Gäste nicht schon bald mit Vorhofflimmern oder gar Herzrasen zurück zu Horlitz treibt, ergriff Horst Müller, Vorsitzender des Wirtschaftsrats, zum Abschluss das Wort. Er bedankte sich bei Professor Horlitz für die hervorragende Organisation und Moderation des rundum gelungenen Events: „Du weißt ja, dass ich ein bisschen mit Veranstaltungen zu tun habe. Ich muss Dich unbedingt buchen dürfen.“

Der tolle und lehrreiche Abend fand Ausklang bei einem gemeinsamen Imbiss in gemütlicher Runde. Und manch einer diskutierte darüber, warum es bei Anschaffungskosten von 1500 bis 2000 Euro eigentlich nicht längst in jedem Kindergarten, jeder Schule oder jeder öffentlichen Einrichtung einen Defibrillator gibt, der im Notfall Leben retten kann.

Viktoria – das V steht für Vussball! 

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